Rede zur Ausstellung
von Brigitte Dümling und Michael Weber
in den Räumen für Kunst Ross 31
in Düsseldorf am 19.6.2024
Wir sehen hier eine große Zahl von Malereien von Brigitte Dümling und Michael Weber.
Die Bilder sind so gehängt, dass wir einerseits die Arbeiten nur der Künstlerin aufeinander beziehen können und auch nur die des Künstlers aufeinander.
Aber ebenso können die Bilder auf diejenigen des/der jeweils Anderen Bezug nehmen, und so ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede vorweisen.
Bei aller Ähnlichkeit der Bilder durch Format und Rahmung ist der Unterschied offenbar für beide Maler wichtiger, wie der Titel »Kontraste« angibt.
Schauen wir deshalb genauer hin.
Michael Webers Bilder sind eindeutig als Malereien zu erkennen.
Geradezu eine Farbflut überzieht den ganzen Malgrund, welcher unter der Farbe dann verschwindet.
Sind Brigitte Dümlings Bilder dagegen nicht eher Zeichnungen, weil nur wenige gestische Setzungen einen weithin sichtbaren weißen Malgrund überziehen?
Nein, es sind keine Zeichnungen sondern Malereien, denn in meiner Sicht beruht Zeichnung vor allem auf Unterscheidung.
Also zum Beispiel die Unterscheidung durch die Aufteilung des Zeichengrundes in Einzelflächen, oder durch die Charakterisierung von Materialität im Bild durch differenzierte Fakturen und Texturen, oder durch Hell-Dunkel etc.
Malerei dagegen vergleicht die sie konstituierenden farbigen Elemente miteinander, bringt diese letztlich in einen Ausgleich zueinander.
Der Malgrund ist einfach der Träger der Malerei, bringt aber selbst keinen Bild- und Farbraum hervor.
Dieser Bild- und Farbraum wird allein von den aufgetragenen Farben und deren Form und Gestik hervorgebracht.
Genau dies trifft auf Brigitte Dümlings Malereien zu.
Damit kommt Dümling auch in die Nähe von ostasiatischer Tuschmalerei, nicht nur weil sie Tuschen zur Malerei verwendet, sondern weil sich ihre Bildelemente gleichsam in einem leeren Bildraum zu einer Gestalt zusammenfinden.
(Allerdings liegt der Unterschied dieser Bilder zur ostasiatischen Malerei in dem leeren Malgrund, der die Malerei nach vorne darbietet, diese hinterfängt wie ein Goldgrund, während die Asiaten eine Atmosphäre (Nebel, Wolken, diffuse Bäume) vor den Gegenstand legen, welche in „Fenstern“ diesen freigibt und sichtbar werden lässt.)
Brigitte Dümlings Bilder sind gegenständliche Bilder, genauer, sie sind auf dem Weg zur erkennbaren und benennbaren Gegenständlichkeit.
Da finden sich Farbtöne, Gesten, Texturen und Fakturen auf der Malfläche und über dieser im Bildraum zusammen, so als bezögen sie sich auf einen Schwerpunkt in ihrer Mitte.
Dieser ist jedoch nicht stark genug, um die Bildelemente zu einem bestimmbaren mimetischen Abbild zusammenzubringen oder zusammenzuzwingen.
Es ist wie ein Tanz der Bildelemente in der Zeit, in der die Malerin malt. Benennbares nähert sich und entfernt sich wieder.
Es ist wie das Wort, das einem auf den Lippen liegt, aber nicht über diese kommen will.
Dennoch, wir können für einen kurzen Moment Gesicht, Körper, Gefäß, Fels, Baum sagen, aber wenn wir mit dem Finger auf diese zeigen wollen, dann versagt die eindeutige Sprache.
Man kann den Blick auf diese Bilder mit einer leise gesungenen Musik vergleichen, die etwas ausdrückt, aber keine sprachliche Bedeutung hat.
Ganz anders verhält es sich bei Michael Weber.
Zwar malt er auf den gleichgroßen Formaten wie Brigitte Dümling, allerdings geschieht dies bei ihm mal quer- mal hochformatig.
Der Malgrund verschwindet aber immer ganz hinter den aufgetragenen Farbtuschen.
Mal wird die Farbe nass-in-nass verwendet, mal trocknen Schichten und werden übermalt, so dass „Fenster“ offen bleiben, die die darunterliegenden Farben sichtbar bleiben lassen.
Michael Weber steuert seine Tuschflecken, indem er mehr oder weniger flüssige Farbe aufträgt, so, dass diese Formen bildet oder aus diesen ausbricht und ins Fließen kommt.
Feuchtgemachte Stellen „fangen“ die Farbe ein, weil diese in diesen frei fließt, aber eben nur bis an die Grenze von Feucht und Trocken.
Und so können auch verschiedenfarbige Tuschen innerhalb eines Flecks ineinanderfließen, begrenzt durch den Rand des Flecks.
Manchmal bricht die hingesetzte Farbe auseinander, bricht aus ihrer Grenze aus und breitet sich chaotisch auf dem Malgrund aus.
Ich denke die Begriffe „Gestaltung“ und „Emergenz“ (anstelle des chaotischen „Zufalls“) beschreiben das künstlerische Vorgehen von Michael Weber.
Es gibt also viele strukturierende Elemente in diesen Bildern, die eigentlich eine erkennbare Gegenständlichkeit provozieren könnten.
Jedoch funktionieren diese nicht so wie bei Dümling, wo man sich fragt, was das denn gleich sein wird,
sondern hier ist die Frage eher, was das noch eben gewesen ist, und sozusagen seinen „Text“ verloren hat, seine „Musik“ aber noch besitzt.
Dadurch eignet Webers Malereien eine leichte Melancholie, die davon handelt, was Malerei heute noch kann, und was sie ehedem konnte.
Ich füge hier ein, dass die beiden hier gezeigten malerischen Vorstellungen die Malerin und den Maler im Hier und Jetzt, also in der Gegenwart positionieren.
Dümling antizipiert eine sich bildende Zukunft, während Weber schaut, was in der gerade entstandenen Vergangenheit vom nicht festhaltbaren Jetzt noch vorzufinden ist.
Dies alles muss zur Frage nach den Eigenschaften der verwendeten Farbe, nämlich der Tusche führen.
Nicht im maltechnischen Sinn stellt sich die Frage, sondern welchen Bedeutungshorizont die Tusche trägt, was sie kann und was sie nicht kann, kurz worin ihr Geist besteht.
Das üblicherweise verwendete Farbpigment besteht aus einem natürlich gewachsenen oder in der Natur abgebauten oder einem chemisch erzeugten Farbkörper, also einem Brocken, der fein zermahlen wird, und damit seine Gestalt verliert und zu einem informellen Pulver, einem Pigment wird.
Diese Farbe bekommt auf einer Malfläche durch den/die Künstler*in wieder eine Form und damit eine Bedeutung.
In diesen Formen ist aber immernoch die Qualität des Malmaterials in der Textur zu erkennen. Die Farbe kann pastos sein, kleine Knötchen enthalten, usw.
Wenn man nun das Pigment noch viel feiner zerreibt, so dass man den Körper des Pigments mit bloßem Auge überhaupt nicht mehr erkennen kann, dann kommt man in den Bereich des Aquarells und der Tusche.
Man muss bei Tuschbildern ganz genau hinsehen, wenn man das Malmaterial noch erkennen will.
Das bedeutet auch, dass Geste und Form im Tuschbild farbig sind,
die Farbe als Material sich aber sehr zurücknimmt zugunsten der Farbe als Tonwert.
Sehen, Bewegung und Farbton konstituieren das Bild, während die taktile Haptik nur noch sehr am Rande wahrgenommen wird.
Die Wahrnehmung und das Verstehen findet im Geist statt, während der Körper mit seinen Fingern ruhiggestellt wird.
Besonders deutlich sichtbar und erlebbar wird dies bei Michael Webers unter Glas gerahmten Bildern.
Das Glas setzt uns Betrachter*innen hier auf eine noch größere Distanz zum Bild, so als schauten wir durch eine Wasseroberfläche auf den Grund eines Gewässers. Zugleich evoziert das Glas die Empfindlichkeit der frisch aufgetragenen Farbe, somit des ersten Moments des neuen Bildes.
Und letztlich spiegeln wir uns selbst im Bild, werden damit Teil von diesem und zugleich von diesem getrennt und isoliert.
Gleiches geschieht in den Bildern von Brigitte Dümling, wenn man sich auf die im leeren weißen Bildraum sich entfaltenden Gesten und Farben einlässt, und dabei irgendwann den tragenden Malgrund vergisst.
Ich hatte Momente bei der Betrachtung, in denen ich die Augen schließen konnte und die gesehenen Bilder ohne diese in meiner Vorstellung sich weiter entfalten sah.
Ich empfehle ihnen also ein intensives Schauen mit offenen und geschlossenen Augen.